PAPERAZZO-BLOG


von Stefan Breitenfeld

19.04.2021

drupa, Umweltverschmutzung

Memo aus Asien: Höchste Zeit, mehr gegen Plastik im Meer zu tun!

Die Vermüllung der Weltmeere durch Plastik: Den meisten von uns ist das Problem mehr oder weniger bekannt. Vielleicht haben wir schon einmal Bilder vom großen pazifischen Müllteppich gesehen oder Berichte über verendete Seevögel gelesen.

Ein Beitrag von Conrad Mendoza.

In 2018 gewann das Thema – vor allem in Asien – wieder an Brisanz, als ein Taucher namens Rich Horner ein Video aus dem Meer vor Bali auf YouTube postete. Der beliebte Tauchspot wird auch Manta Point genannt. Die namensgebenden Mantarochen kamen Horner allerdings kaum vor die Kamera – dafür jede Menge bunte Snackverpackungen, Tüten und umhertreibende Müllfetzen, die eine schier endlose Unterwassergalaxie bildeten. Selbst wenn wir das Problem im Prinzip vielleicht verstanden hatten: Dies war ein neuer, sehr anschaulicher Beleg dafür, dass unsere lebensspendenden Ozeane zu Müllkippen verkommen.

Als das Video viral ging, traten Konsumgüterhersteller, Regierungen und NGOs auf den Plan. Doch wie so oft, wenn es um Umweltverschmutzung geht, wirkten die Statements recht routinehaft: Besorgnis gezeigt – fertig. Wirklich geändert hat sich nichts, und die Lage verschärft sich noch. Einige Monate später wurde im Marianengraben, der tiefsten Stelle im Pazifik, eine Plastiktüte entdeckt.

Als Business Development Director bei Avery Dennison reise ich von meinem Wohnsitz in Singapur viel durch den asiatisch-pazifischen Raum. Umweltverschmutzung durch Kunststoff beschäftigt mich – nicht nur als Bürger und Verbraucher, sondern auch als Geschäftsmann, der Materialien verkauft, einige davon aus Kunststoff, viele weitere, die auf Kunststoff aufgebracht werden. Und was sehe ich? Wir verlieren den Kampf gegen Meeresplastik – und zwar ganz dramatisch in dem Teil der Welt, den ich meine Heimat nenne. Die Umweltschutzorganisation Ocean Conservancy zitierte im Jahr 2015 aus der Zeitschrift Science, dass jährlich acht Millionen Tonnen Plastik in die Weltmeere gelangen, und zwar gut die Hälfte davon aus Indonesien, den Philippinen, Thailand, Vietnam und China. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen bekräftigt dies: 60 % des Meeresplastiks kommen aus nur sechs Ländern – allesamt in Asien.

Nicht dass es völlig an Einsicht fehlt: Viele asiatische Verbraucher sind durchaus bereit, sich bei Einwegartikeln aus Kunststoff einzuschränken und Kunststoffabfälle im Sinne einer Kreislaufwirtschaft dem Recycling zuzuführen. Aus meiner Zusammenarbeit mit Konsumgüterherstellern weiß ich, dass rund 60 % der Verbraucher nachhaltige, ressourceneffiziente Produkte in recycelten oder wiederverwerteten Verpackungen prinzipiell bevorzugen (Quelle: inc.com). Allerdings: Speziell in Asien scheitern die guten Vorsätze häufig am Preis.

Auch Markenartikler und Hersteller zeigen sich durchaus verantwortungsbewusst. So wurden beispielsweise Selbstverpflichtungen zum verstärkten Einsatz recyclingfähiger Verpackungen ausgesprochen. Innovativen Verpackungsformen, die recycelten oder gar keinen Kunststoff nutzen, sind in Arbeit. Teilweise wurden auch Partnerschaften mit NGOs eingegangen. Doch bewirkt hat all dies bisher wenig. Die Plastikflut beschäftigt uns weiterhin. Nachhaltige Verpackungen bleiben ein Nischenprodukt, weil die Hersteller wissen, dass sie für Verbraucher in weiten Teilen der Welt kaum bezahlbar sind.

Im Hinblick auf Umweltschutzvorschriften klaffen die Länder der asiatisch-pazifischen Region weit auseinander – einige fördern sinnvolles Kunststoffrecycling, andere ganz und gar nicht. In Japan, das oft als regionales Vorbild gilt, habe ich mehrere Jahre gelebt – und akribisch meinen Müll getrennt. Mehr und mehr Länder, allen voran China, verbieten derweil Müllimporte, da sie bereits die vor Ort anfallenden Mengen kaum bewältigen können. Müllexportländer müssen also andere Lösungen finden – und leider heißt die Lösung in vielen Fällen: Deponie.

Alles in allem scheinen Regierungen, Unternehmen und Verbraucher einander den schwarzen Peter zuzuschieben – frei nach dem Motto: „Fang du doch an!“ Das Video aus Bali und zahllose weitere Berichte, Bilder und Filme zeigen aber, dass diese Rechnung nicht aufgehen kann. Wir alle – Regierungen, Hersteller, Lieferanten, Verbraucher – stehen in der Verantwortung. Wir müssen handeln, und zwar schnell!

Regierungen und Unternehmen haben bisher vorwiegend auf den Markt gesetzt. Erwartet wird der Zeitpunkt, an dem die Nachfrage nach nachhaltigen Verpackungen derart gestiegen ist, dass Größenvorteile die Produktionskosten senken. Dann endlich werden meeresfreundliche Verpackungen nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel sein. So warten und warten wir Jahr um Jahr ... Doch unsere Meere zeigen uns: es eilt!

Niemand freut sich über Regularien. Aber offenkundig wird es nur dann zu wirklichen Fortschritten kommen, wenn Regierungen und Behörden in ganz Asien Vorschriften erlassen, die Recycling fördern, entsprechende Infrastrukturen schaffen und Einwegverpackungen aus Kunststoff reduzieren. Das kommunale Abfallmanagement ist in weiten Teilen Asiens unzureichend. Hier sind zuallererst die Regierungen gefragt.

Doch auch Markenartikler und Verpackungshersteller können und müssen etwas bewirken. Zeit, die Köpfe zusammenzustecken, um beispielsweise die Recyclinganteile in Kunststoffverpackungen zu erhöhen! Wichtig sind auch die Sensibilisierung der Verbraucher und ganz besonders Wege zur Kostenreduktion: Verbrauchern mit niedrigen Einkommen, die gerade in Asien besonders viel Einwegplastik konsumieren, müssen bezahlbare Alternativen geboten werden.

Sicher, ein wenig Zusammenarbeit gibt es bereits. Mehr und mehr Konsumgüterhersteller, motiviert durch Verbraucherinitiativen, drohende Regularien und gelegentliche öffentliche Rügen durch NGOs, setzen sich für Recycling und nachhaltige Verpackungsformen ein. Im Herbst 2018 lancierte die UNO ein gemeinsames Projekt mit der schwedischen Regierung und dem COBSEA (Coordinating Body on the Seas of East Asia), mit dem die Abfallwirtschaft in Südostasien gestärkt werden soll. Die Investmentgesellschaft Circulate Capital, laut Eigenbeschreibung aktiv als „Inkubator und Geldgeber für Unternehmen und Infrastrukturen, die Plastikmüll in Meeren bekämpfen“, hat größere Summen von Konsumgüterherstellern und Chemiekonzernen erhalten. Auch haben sich unter anderem Unternehmen und gemeinnützige Organisationen in der Trash-Free Seas Alliance unter der Ägide von Ocean Conservancy zusammengeschlossen. All dies sind wichtige Maßnahmen.

Doch als Bewohner Asiens, wo die Lage für alle offensichtlich katastrophale Ausmaße annimmt, möchte ich hinzufügen: Wir alle müssen schneller noch mehr bewirken!

Wie können wir das Tempo steigern? Wie können wir die Barrieren überwinden, die einer effektiven Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Unternehmen und NGOs im Wege stehen? Wie können wir unsere großen Innovationspotenziale zur Überwindung von Einwegverpackungen und Verbesserung des Abfallmanagements nutzen, um der uns überrollenden Plastiklawine Einhalt zu gebieten? Wie können wir Unternehmen dazu bringen, dem Problem oberste Priorität einzuräumen – nicht nur im Sinne unternehmerischer Verantwortung, sondern auch mit Blick auf Risikomanagement und langfristigen Bestand? Wie können wir unsere Meere, Lebensgrundlage für uns alle, säubern, bevor es zu spät ist?

Darüber müssen wir sprechen – auf der virtual.drupa und überall dort, wo Hersteller und Kunden unserer Branche zusammentreffen. Und dann heißt es handeln – schnell, entschlossen und pragmatisch. Denn schöne Worte allein genügen nicht. Das hat uns Rich Horners Video, mit weiteren Berichten, Bildern und Filmen dieser Art, klar vor Augen geführt.

World Earth Day auf der virtual.drupa

Während des World Earth Days am 22. April dreht sich in der Conference Area der virtual.drupa alles um Nachhaltigkeit. Unter den beiden Oberthemen „Circular Economy“ und „Connected Consumer“ nehmen verschiedene Vorträge dieses hochrelevante Thema in den Fokus.

Als Einstieg in den Tag hält Dr. Gabrielle Walker als Keynote Speaker einen Vortrag über “All change: Implications of the climate megatrend for the printing industry”. Sie arbeitet strategisch direkt in Unternehmen und adressiert globale Herausforderungen mit besonderem Fokus auf Nachhaltigkeit, Energieverbrauch, Kreislaufwirtschaft sowie Klimawandel. Als Consultant und Strategin berät sie Unternehmen auf C-Level zu Themen wie zukünftige Investitionen, Fertigung und Circular Economy.

Über den Autor

Conrad Mendoza ist Director of Business Development im Geschäftsbereich Etiketten- und Grafikmaterialien bei Avery Dennison, Singapur.

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