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11.12.2025

EUDR, Digitalisierung, Prozessmanagement

Jenseits der EUDR: Die wahre Herausforderung für Druckunternehmen heißt Prozessdigitalisierung

Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) hat die Druck- und Medienindustrie in den vergangenen zwei Jahren intensiv beschäftigt. Nun hat Brüssel erneut nachjustiert: Die Anwendungspflichten sollen weiter verschoben und für bestimmte Branchenbereiche abgespeckt werden. Gleichzeitig wurde entschieden, fertige Druckerzeugnisse wie Bücher, Magazine oder Zeitungen ganz aus dem Geltungsbereich auszunehmen. Wer daraus schließt der Spuk sei vorüber, oder die EUDR hätte nur unnötig Aufmerksamkeit und Ressourcen gekostet, irrt.

Ein Beitrag von Dr. Johannes Warther, Strategieberater bei Apenberg & Partner.

Unabhängig vom endgültigen Geltungsbereich hat die EUDR etwas Wertvolles bewirkt: Sie hat unsere Branche gezwungen, sich ernsthaft mit der digitalen Abbildung von Wertschöpfungsketten und Materialströmen auseinanderzusetzen. Und genau dieses Element der Digitalisierung ist einer, wenn nicht sogar der entscheidende, Wettbewerbsfaktor für Produzierende Unternehmen im Hochlohnland Deutschland.

Die EUDR als Katalysator

Viel wurde über die Bürokratielast der EUDR diskutiert. In welchem Umfang sie letztendlich eingeführt wird bleibt unklar. Doch an der grundlegenden Entwicklung ändert dies nichts: Regulatorische Anforderungen an Transparenz, Rückverfolgbarkeit und Nachhaltigkeitsberichte werden auch künftig zunehmen, ob durch EUDR, Lieferkettengesetze, CSRD oder Produktpass-Initiativen.

Für die Druckindustrie bedeutet das: Wer sich jetzt zurücklehnt, verpasst eine Chance. Denn der wahre Aufwand entsteht nicht durch das Gesetz, sondern durch unzureichend digitalisierte Prozesse, fragmentierte Systemlandschaften und Daten, denen niemand so recht vertraut. Studien von Apenberg & Partner zeigten bereits 2022 und 2024, dass rund drei Viertel der befragten Unternehmen ihren eigenen Daten nur eingeschränkt Glauben schenken. Wenn aber die Basis nicht stimmt, wird jede neue regulatorische Anforderung zur Sonderschicht.

Digitale Wertschöpfung statt Excel-Feuerwehr

Die EUDR macht sichtbar, woran es in vielen Unternehmen hapert: Am Ende-zu-Ende-Datenfluss. Herkunftsnachweise, Lieferantenzertifikate, Materialchargen und ihre Verbindung zum konkreten Kundenauftrag müssen digital verfügbar und automatisiert auswertbar sein. Genau das ist in vielen Betrieben heute nicht der Fall.

Wer seine Wertschöpfung vom Papierlager über die Produktion bis zur Logistik digital durchgängig abbilden kann, erlebt Regulierungen wie die EUDR als zusätzliche Datenspalte im System. Wer hingegen weiter auf isolierte Prozesse, manuelle Übergaben oder Excel-Listen vertraut, wird bei jeder neuen Vorgabe wieder bei Null anfangen.

Die Diskussion rund um die EUDR führt zu einer fundamentalen Einsicht: Digitalisierte, integrierte Prozesse sind nicht nur Effizienztreiber, sie sind ein Risikopuffer gegenüber zukünftigen gesetzlichen Anforderungen.

Die Chance liegt im Vorlauf

Die jüngste Verschiebung der EUDR schafft eine seltene Gelegenheit: Zeit, ohne unmittelbaren Umsetzungsdruck die eigenen Prozesse, Datenmodelle und Systeme so aufzustellen, dass sie zukünftige Anforderungen gelassen aufnehmen können.

Aus unseren Beratungsprojekten lassen sich vier klare Empfehlungen ableiten:

  • Bestandsaufnahme der Datenqualität:
    Welche Informationen liegen wirklich strukturiert vor? Wo entstehen Medienbrüche? Welche Zertifikate und Lieferantendaten fehlen?
  • Durchgängige Prozessarchitektur entwickeln:
    Wertschöpfungsketten müssen Ende-zu-Ende gedacht werden. Die Frage, wo Daten entstehen, wo sie verloren gehen und wie sie künftig fließen sollen, ist zentral.
  • Systemlandschaft modernisieren:
    MIS, Workflow-Systeme und Logistiklösungen müssen so integriert werden, dass Daten nur einmal erfasst, aber überall genutzt werden.
  • Anfangen!
    Ganz gleich welchen Digitalisierungsstand man sich vorgenommen hat (Stichwort optimale Digitalisierung), nur wer erste Schritte in die richtige Richtung geht, hat eine Chance sein Ziel zu erreichen.

Wer heute investiert, bleibt morgen gelassen

Es ist verlockend, die EUDR-Debatte als Entwarnung zu lesen. Dabei sollte die EUDR gar nicht das Thema sein. Das Thema ist die Fähigkeit eines Unternehmens, Daten und Prozesse so zu beherrschen, dass neue Anforderungen nicht zum Ausnahmezustand führen.

Unternehmen, die jetzt handeln, werden in Zukunft genau dort stehen, wo man strategisch stehen möchte: Während andere hektisch akuten Themen hinterherrennen, ist man selbst bereits systemisch gut vorbereitet und kann sich auf das konzentrieren, was Wert schafft: Kunden, Innovation und nachhaltiges Wachstum.

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