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(01.04.2021 / sbr)

„Unverpackt“ ergänzt das LEH-Sortiment

Unverpackt-Läden gibt es inzwischen in jeder Großstadt, und auch Handelsketten haben das Thema für sich entdeckt. Das Prinzip ergänzt bestehende Bemühungen, das Verpackungsaufkommen zu reduzieren.

Regionalität, Bio und bewusstes Einkaufen haben nicht erst durch Corona einen Auftrieb erhalten. Schon zuvor zeichnete sich ein Trend zu umweltbewussteren Kaufentscheidungen ab, bei dem auch die Vermeidung von Verpackungsmüll eine wichtige Rolle spielt. Aus diesen Bedürfnissen haben sich Bewegungen wie Zero Waste entwickelt, bei denen es darum geht, möglichst wenig Abfälle zu erzeugen. Unverpackt-Läden sollen Teil dieser Lösung sein und greifen den Zero-Waste-Gedanken auf. Die Zahl dieser Konzeptläden steigt stetig an: waren es im Jahr 2014 erst vier Läden in Deutschland, so sind es heute bereits beinahe 200 Händler, die sich die Vermeidung von Verpackungen auf die Fahnen geschrieben haben.

Der durch die Corona-Pandemie stärker ausgeprägte Trend hin zu regionalen Produkten und der Einkauf bei Direktvermarktern kommt auch dem Unverpackt-Gedanken entgegen. Standardisierte Mehrwegkisten vermeiden dabei Verpackungen über die gesamte Supply-Chain vom Hersteller bis zu den Konsumenten. Das Thema genießt außerdem hohe mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit und auch große Handelsunternehmen haben es als wichtigen Impulsgeber identifiziert.

Hürden bei der Umsetzung

Noch sind die Unverpackt-Läden von idealistischen Quereinsteigern geprägt, die häufig viel Lehrgeld bezahlen müssen. Denn die Beschaffung in Großgebinden bringt ihre ganz eigenen Herausforderungen mit sich. So muss auch ein kleiner Laden relativ viel Lagerfläche einplanen, um die großen Gebinde unterzubringen. Inzwischen arbeiten aber Lieferanten an besseren Lösungen für die Beschaffung, wie Mehrwegbehältern für die Zulieferung, größeren Gebinden und dem Verzicht auf Verpackungsmaterial für die Lieferung.

Einmal geöffnet, kommt es bei Lebensmitteln unvermeidlich zu Aromaverlusten und die Waren bleiben nur begrenzt frisch und absetzbar. Die Schutz-, Lager-, Transport-, Marketing- und Informationsfunktion, die ansonsten von Einzelverpackungen gewährleistet wird, gestaltet sich bei Großgebinden ebenfalls erheblich schwerer. Ein weitaus schwieriger zu lösender Aspekt liegt aber darin, die Kaufgewohnheiten der Kunden zu ändern. Spontane Einkäufe sind ohne mitgebrachte Behältnisse beispielsweise meist nicht möglich. Mehrwegkonzepte mit standardisierten Behältnissen könnten hier Abhilfe schaffen. Das erfordert die Kooperation zwischen den Händlern – möglichst auch mit schlagkräftigen Handelsunternehmen.

Forderung aus der Gesellschaft

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Forschungsprojekt Innoredux hat Anfang 2020 mehr als 1.000 Personen danach befragt, wie innovative Geschäftsmodelle im Handel den Verpackungsmüll entlang der Wertschöpfungskette reduzieren können. Ziel war es zu ermitteln, wie breit der Verzicht auf Verpackungen bei den Befragten thematisiert wird und welches Potenzial unverpackte Produkte haben. In dieser Studie gaben 99 % der Befragten an, dass sie der Meinung sind, dass bei vielen Produkten weniger Verpackungsmaterial ausreichen würde. Obwohl das eine subjektive Angabe ist, die bei näherer Betrachtung oft nicht praktisch umsetzbar ist, sollten die Hersteller dennoch ernsthaft an der Verminderung des Verpackungsvolumens arbeiten. Sie tun das bereits durch die Steigerung der Effizienz und eine bessere Nutzung der Ressourcen: Folien werden immer dünner, Monomaterialien erleichtern das Recycling und weniger umweltfreundliche Materialien werden durch bessere Lösungen ausgetauscht. Auch die immer ausgereifter werdenden Biokunststoffe verbessern häufig schon die Ökobilanz. Seitdem die FACHPACK 2019 erstmals unter dem Motto „Umweltgerechtes Verpacken“ stand, sind die Entwicklungen weiter vorangeschritten und auch die Einkäufer großer Handelsunternehmen fordern von den Lieferanten nachhaltigere Verpackungen.

Verpackungsreduktion und unverpackt gehen Hand in Hand

Durch das novellierte Verpackungsgesetzt ist auch der systematische Anreiz für den Einzelhandel gestiegen, das Verpackungsaufkommen zu reduzieren. So sind neben Einzelgeschäften auch Shop-in-Shop-Angebote für unverpackte Ware entstanden. Das kommt den Kundenwünschen entgegen: Der oben genannten Umfrage zufolge befürworten 97 % der Befragten Abteilungen mit unverpackten Lebensmitteln in den Geschäften. So ist es nicht verwunderlich, dass „klassische“ Einzelhändler das Unverpackt-Konzept vielerorts bereits übernehmen. Mit ihrer bestehenden Infrastruktur und ihren Lagermöglichkeiten haben etablierte Händler es etwas leichter. Auch die Umstellung der Einkaufspraxis der Kunden stellt eine Hürde dar, die durch standardisierte Behälter wie sie schon in vielen Supermärkten angeboten werden, oder durch Mehrwegsysteme leichter von größeren Handelsunternehmen umgesetzt werden können.

Dass sich das Prinzip „Unverpackt“ flächendeckend durchsetzen wird, scheint eher unwahrscheinlich. Läden, die sich an Kundenwünsche wie Bio, Regionalität und Nachhaltigkeit richten, decken aber einen wachsenden Nischenmarkt ab. Shop-in-Shop-Lösungen in herkömmlichen Supermärkten und Discountern mit größeren Sortimentsangeboten an konventionellen, unverpackten Produkten können die Auswahl zukünftig allerdings weiter ergänzen. Unverpackt-Lösungen sollten dabei nicht als Gegner der Verpackungsbranche wahrgenommen werden, sondern als Ergänzung zu effizienterer, nachhaltigerer Verpackungsnutzung.